Markenaufbau mit K(n)öpfchen, „TEX-how“ und „Bigital Printing“
Wenn Eric Bradatsch zu einer neuen Folge seines Podcasts einlädt, hören ihm inzwischen regelmäßig mehrere tausend Menschen zu. Das ist erstaunlich, denn er ist hauptberuflich nicht Influencer, sondern Geschäftsführer der Großformatdruckerei TEXSIB im sächsischen Beiersdorf. Das Unternehmen, das seit seiner Gründung 1990 kontinuierlich gewachsen ist, hat zuletzt nicht nur in neue Technik, sondern auch in ein professionelles Marketing investiert. Seitdem kann man den TEXperten aus der Oberlausitz regelmäßig und virtuell „über die Schulter“ schauen, egal ob beim „Bigital Printing“ oder beim „Bigital Thinking“, wie der Podcast heißt. Und nein, das sind keine Rechtschreibfehler.
„TEXSIB, das ist ein bunt zusammengewürfeltes Team aus TEXperten – so nennen wir unsere Mitarbeiter. Viele davon, vielleicht sogar der Großteil, sind Quereinsteiger, kommen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Aber was wir alle gemeinsam haben ist, dass wir ein bisschen anders sind, positiv anders“, erklärt Eric Bradatsch, der 2005 in zweiter Generation in die Geschäftsführung des elterlichen Betriebs mit eingestiegen ist.
Schon für seine Eltern Ines und Holger Bradatsch war der Notendurchschnitt auf dem Zeugnis der potenziellen Mitarbeiter nicht so wichtig, wie die Frage, ob jemand menschlich ins Team passt und Begeisterung für seine Arbeit mitbringt. Und der Juniorchef hält es genauso. „Wir haben immer versucht, mehr den Menschen in den Vordergrund zu stellen und herauszuarbeiten, wer für was passen könnte. Jemanden, der nur Zeit gegen Geld tauscht, können wir hier im Grunde nicht gebrauchen. Derjenige würde bei uns vermutlich auch nicht glücklich werden. Wir wollen Leute, die für die Sache brennen, die Dinge mitdenken und auch erkennen, ‚wo die Säge klemmt‘“, so Bradatsch.
Und wer ein weitergefasstes Konzept wie dieses verfolgt, der beschäftigt eben auch nicht einfach nur Mitarbeiter, sondern TEXperten. Gut 70 sind es inzwischen, pünktlich zum 31. Geburtstag des Unternehmens.
Die Produktion im Wohnhaus
Angefangen hat aber alles viel kleiner, nämlich in einem einfachen Wohnhaus in Beiersdorf. „Meine Eltern haben das Unternehmen 1990, quasi als erste Amtshandlung nach dem Mauerfall, gegründet. Die Produktion fand im Erdgeschoss, im Keller und in der zweiten Etage statt, in der ersten Etage haben wir gewohnt. Überall um uns herum war quasi Produktion – aber das wurde irgendwann zu eng“, erinnert sich Bradatsch. Denn während am Anfang vor allem klassische Werbetechnik-Produkte hergestellt wurden, stiegen Ines und Holger Bradatsch bereits Mitte der 1990er-Jahre in den Digitaldruck und wenig später in den Sublimationsdruck ein – und mit der Zeit wurden auch die Formate immer größer.
Darum ist das Unternehmen 2005 an den heutigen Standort in der Löbauer Straße gezogen, hat 2008 und 2014 jeweils eine Halle für Druck und Konfektionierung angebaut. Heute produziert TEXSIB so ziemlich alles, was in der visuellen Kommunikation und Außenwerbung gefragt ist, vom Bodenaufkleber und Roll-up, über Standard-Banner, Schilder und Backlit-Anwendungen bis hin zur XXXL-Fassadenverkleidung.
Die Problemlöser
„Da wir schon mehr als 30 Jahre Erfahrung im Großformat haben, kommen wir zudem oft dann zum Einsatz, wenn etwas möglich gemacht werden soll, das zuvor noch nicht möglich war“, erklärt Eric Bradatsch und verweist auf besonders anspruchsvolle Aufträge, an die sich andere oft erst gar nicht herantrauen. Wie etwa die Fassadenverkleidung am Stuttgarter Kaufhaus Breuninger, für die es sehr strenge Vorgaben und Toleranzen gab und für die sich Vater Holger Bradatsch eigens ein inzwischen patentiertes Verfahren zum Verhüllen einfallen ließ. Oder eine Werbefläche auf freiem Feld unweit von Beiersdorf, für die TEXSIB zusammen mit einem Statiker eine Stahlunterkonstruktion entwickelte, die selbst einem Sturm mit Windstärke 12 standhalten soll.
Egal, um welche Produkte es sich letztlich handelt, TEXSIB bedient fast ausschließlich B2B-Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen und im gesamten DACH-Raum.
Raum für weiteres Wachstum
„Wir haben uns an unserem aktuellen Standort – das Corona-Jahr mal ausgeklammert – prächtig entwickelt“, resümiert Eric Bradatsch rückblickend und gibt zugleich einen Vorgeschmack darauf, was noch kommen könnte. „Mit rund 40.000 m2 ausgewiesenem Gewerbegebiet um uns herum haben wir auch perspektivisch alle Optionen, um weiterzuwachsen“. Und geht es nach dem Junior-Chef, ist genau das auch der Plan.
Investitionen in Maschinen –
aber auch in neue Strategien
Apropos wachsen: Gewachsen ist bei TEXSIB zuletzt auch der Maschinenpark. In den vergangenen Monaten sind nicht nur eine Canon-Colorado-UV-Gel-Maschine und ein Fünf-Meter-Flachbett-Cutter bei den Lausitzern eingezogen, sondern auch ein Vutek-HS100-Pro-Hybriddrucker von EFI.
„Antizyklisches Einkaufen“ nennt das der Junior-Chef mit einem Augenzwinkern, schließlich will man gut gewappnet sein, wenn die Messe- und Veranstaltungswelt aus ihrem coronabedingten, verordneten Dornröschenschlaf wieder erwacht und die Aufträge auch aus diesem Bereich wieder reinkommen.
Wenn XXL-Druck richtig vermarktet wird
Auch wenn ein moderner Maschinenpark wichtig für die weitere Entwicklung des Portfolios ist, hat Eric Bradatsch zuletzt aber vor allem in eines investiert, in das Marketing. „Seinen Ursprung hat das alles in der Mitarbeitergewinnung. Wir hatten Bewerbungsgespräche, bei denen die Leute zwar ganz begeistert von unserem Unternehmen waren, aber zugleich auch sagten: ‚Warum kennt man euch denn nicht? Warum weiß man denn nicht, wie cool das bei euch ist?‘“, erinnert sich der Geschäftsführer. „Das hat uns zum Nachdenken gebracht. Denn produktionstechnisch gibt es unter vielen Druckereien längst keine oder zumindest kaum Unterschiede. Da ist sehr viel vergleich- und austauschbar. Kaum einer traut sich, aus dem Strom auszubrechen und mal auf einem Nebenfluss zu fahren oder ein paar Hundert Meter vorzupreschen“.
TEXSIB hat sich getraut – und mit Judith Riecker Ende 2019 eine eigene Marketingspezialistin mit ins Boot geholt.
Vom sächsischen Outback in die Social-Media-Welt
„Bei TEXSIB haben wir zwei Faktoren, beschreibt Judith Riecker die Ausgangssituation. „Zum einen ist Beiersdorf ein richtig kleines Dorf ganz im Osten von Deutschland. Der zweite Faktor ist, dass die Druckbranche, so ist zumindest meine Einschätzung, im Bereich Online-Marketing generell noch nicht so weit ist.“
„Doch es ist so, wie wir es vor kurzem in einem Seminar gehört haben: ‚Man verliert nicht gegen seine Konkurrenz – man verliert gegen seine Unsichtbarkeit.‘“ Und diese Unsichtbarkeit in der digitalen Welt hat das Lausitzer Unternehmen längst abgelegt.
Zuerst wurde die Website neu gestaltet, dann die von Eric Bradatsch schon einige Jahre zuvor eingerichteten, aber nur sporadisch befüllten Facebook- und Instagram-Accounts wieder „auf Vordermann“ gebracht und mit neuem Leben gefüllt. „Einmal in der Woche verschicken wir außerdem unseren Newsletter „TEX-Updates“ – und auf der Website gibt es außerdem einen Blog, in dem wir regelmäßig auch über Themen wie New Work, Nachhaltigkeit oder Unternehmensführung schreiben“, erklärt die Marketing-Fachfrau.
Transparenz schafft Nahbarkeit und Authentizität
Neuester Baustein in der Marketingstrategie des Unternehmens ist Youtube. Mit Hilfe eines eigenen Videografen, der seit einigen Monaten ebenfalls zu TEXSIB gehört, produziert das Marketingteam um Judith Riecker wöchentlich einen Beitrag für die beliebte Videoplattform und gibt darin regelmäßig Einblick in den Druckerei-Alltag oder erklärt Produkte und Materialien.
„Online-Marketing, vor allem im Bereich Social Media, hat immer damit zu tun, dass man sich auch öffnet. Das ist ein Punkt, der von vielen Unternehmen vernachlässigt wird“, erklärt Eric Bradatsch.
„Wir wurden am Anfang auch belächelt. Es hieß, das würde doch nichts bringen“, gibt der Geschäftsführer offen zu. Doch die Entwicklung lasse genau das Gegenteil vermuten, wie Judith Riecker aufzählt: „Auch wenn sich die Aktivitäten vielleicht noch nicht in direkten Umsatzzahlen messen lassen, kann man schon Ergebnisse sehen: Die Kundenbindung ist definitiv stärker geworden. Am Anfang haben wir kaum Feedback bekommen, aber inzwischen werden wir manchmal sogar förmlich geflutet. Die Leute schlagen uns sogar vor, ein Gewinnspiel zu veranstalten und einen Tag in unserem Unternehmen zu verlosen, weil sie neugierig sind und sehen wollen, wie es bei uns so ist. Ich liebe die Interaktion mit der Community.“
Mitarbeiter gewinnen, Marke aufbauen
Und auch zur Mitarbeitergewinnung sei Instagram in der heutigen Zeit ein echter Gewinn: „Wir haben innerhalb von nur einer Woche einen IT-ler gefunden, der wirklich gut zu uns passt, und das ist nur ein Beispiel“, berichtet Riecker. „Wenn man in den bekannten Plattformen schaltet, gibt man hingegen jede Menge Geld aus, ohne zu wissen, ob sich das überhaupt lohnt. Für uns ist Instagram in dieser Hinsicht extrem hilfreich.“
„Wir verfolgen mit unserer Marketingstrategie große Ziele und sind ambitioniert unterwegs. Ich sehe es vor allem als einen langfristigen und nachhaltigen Ansatz“, ergänzt der Geschäftsführer Eric Bradatsch. „Uns geht es um den Aufbau unserer Marke und darum, Touchpoints zu schaffen, wie Judith immer sagt.“ „Das Schöne ist ja außerdem“, fügt auch die Marketing-Chefin noch einmal an, „dass jeder Geschäftsführer da draußen, also auch ein potenzieller Kunde von uns, am Ende des Tages auch nur ein Mensch ist, der mit seinem Smartphone in seiner Freizeit durch die verschiedenen Kanäle surft – und dabei immer wieder auf TEXSIB stößt.“
Bigital thinking – der Podcast
Während viele Druckereien inzwischen eine mehr oder weniger gepflegte Facebook-Seite besitzen und einige sogar auf Instagram zu finden sind, haben sich Eric Bradatsch und sein Team aber auch an eine Medienform herangetraut, die in der Druckindustrie noch von kaum jemanden genutzt wird. Seit etwas mehr als einem Jahr betreibt der Geschäftsführer den Podcast „Bigital Thinking“, in dem er sich alle paar Wochen mit interessanten Persönlichkeiten – nicht nur aus der Branche – über aktuelle Themen unterhält, sei es mit Arbeitsrechtsanwältin Christina Linke, mit der „Recruitung-Queen“ Pia Tischer oder dem Berater und E-Commerce-Profi schlechthin, Bernd Zipper, um nur einige zu nennen.
Mehr als 30 Folgen gibt es inzwischen und eine treue Zuhörerschaft im unteren Tausenderbereich. „Natürlich ist das noch nicht das, wo wir gerne hinmöchten“, gibt der Geschäftsführer zu. „Wir sind noch ganz am Anfang, aber ich bin jetzt schon mega-stolz auf mein Team.“
Was dicke Steine mit Zeitmanagement zu tun haben
Und wer sich jetzt fragt, wie es das TEXSIB-Team schafft, all diese Kanäle im alltäglichen Produktionswahnsinn zu betreiben, für den hat Eric Bradatsch zwei Antworten. „Das eine hat natürlich mit Investitionen zu tun, nämlich mit der Investition in ein Marketing-Team mit den richtigen Leuten.“
Für die zweite Antwort nutzt er eine Metapher von Uniprofessor Lothar Seibert, der einen gläsernen Behälter bis oben hin mit dicken Steinen füllte und seine Studenten fragte, ob der Behälter nun voll sei. Sie sagten „ja“. Dann nahm er jedoch Kiesel und füllte die Zwischenräume zwischen den dicken Steinen und fragte erneut. Wieder lautete die Antworte „ja, jetzt ist er aber voll“. Doch zwischen den Kiesel passte auch noch Sand und darauf auch noch Wasser, bevor der Behälter wirklich voll war.
Soll heißen: Wer seine wichtigsten Aufgaben, die Basisaufgaben, im Blick behält und richtig priorisiert, werde oft noch Möglichkeiten für viele weitere, kleinere Aufgaben finden. „Nur wenn man es umgedreht macht, vielleicht erst Sand und Kiesel einfüllt, dann kriegt man die dicken Steine nicht mehr unter. Ich bin zwar auch niemand, der immer seine dicken Steine unterbringt, aber ich bemühe mich, daran zu denken“, gibt er ehrlich zu.
Ausdauer lohnt sich
„Das Marketing, die Markenbildung, Kundenbindung und der ganze Bereich Social Media, das ist kein ‚Quick Win‘“, sagt Eric Bradatsch abschließend. „Man kann es vielleicht eher mit Zins und Zinseszins vergleichen, es wird immer schneller“ – bzw. es werden immer mehr Follower, mehr Feedback, mehr direkte Kontaktaufnahmen. „Und ich bin sehr gespannt, wo wir in einem Jahr stehen werden.“ Und wir erst!
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