„Man erreicht die Zielgruppen nach wie vor Out of Home“
Wenn die attraktivsten Werbeflächen nicht mehr in Innenstädten und Büro-Vierteln liegen, sondern in Wohngebieten, ist Corona-Zeit. Viele Anbieter und Produzenten von Außenwerbung haben in den vergangenen Monaten klug auf die neue Situation und die asynchrone Mobilität der Menschen reagiert, sagt Prof. Dr. Kai-Marcus Thäsler, Hauptgeschäftsführer des FAW, Fachverband Aussenwerbung e.V. Sign&Print hat mit ihm über den Stellenwert der Außenwerbung im Corona-Jahr 2020 und die Trends für 2021 gesprochen.
Sign&Print: Ein herausforderndes Jahr 2020 liegt hinter uns. Wie sind die Unternehmen der Außenwerbung Ihrer Einschätzung nach durch die letzten Monate gekommen? Welche Rückmeldungen haben Sie von Ihren Mitgliedsbetrieben bekommen?
Kai-Marcus Thäsler: Sicherlich war 2020 nicht das beste Jahr für die Außenwerbung. Während der Lockdowns haben sich viele Anbieter jedoch sehr klug verhalten, spezielle Angebote gemacht, den Kunden flexible Buchungen und Stornierungen ermöglicht und auch auf die asynchrone Mobilität reagiert. Interessanterweise wurden Werbeträger an Standorten attraktiv, die Bedeutung für die Nahversorgung und die Freizeitgestaltung von Konsumenten haben. Buchungszeiten wurden verkürzt, um schnell auf regionale Lockdowns reagierten zu können. Digitale OOH-Screens wurden für Kunden attraktiv, die schnell und taktisch kommunizieren wollten. Wenn man also genau hinsieht, gab es Licht und Schatten.
S&P: Gibt es Bereiche oder Anwendungsfelder, die in den Krisenmonaten besonders nachgefragt waren bzw. sogar ein Wachstum verzeichnen konnten?
Kai-Marcus Thäsler: In der Tat: Digitale Medien waren und sind aufgrund ihrer Flexibilität stark nachgefragt, aber auch Großflächen an Supermärkten, auf deren Zufahrten und Parkplätzen. Aber auch der ländliche Raum mit seinen Wohngebieten war für viele Werbungtreibende attraktiv. Für Werbekunden sind ja generell Orte attraktiv, an denen sich mobile Zielgruppen aufhalten. Und das waren dann weniger die Innenstädte und Büro-Viertel, wie vor Corona, sondern die Wohngebiete und die Gegenden, in denen man spazieren geht.
S&P: Im letzten Dialogmarketing-Monitor der Deutschen Post hieß es, dass Plakat- und Außenwerbung leicht zulegen konnte, obwohl der Werbemarkt insgesamt stagnierte. Die Zahlen für 2020 sind zwar noch nicht verfügbar, aber trotzdem: Was sind Ihrer Einschätzung nach die Treiber dafür, dass die Plakat- und Außenwerbung im Medienmix vergleichsweise gut dasteht?
Kai-Marcus Thäsler: Die Mobilität der Menschen ist ja nicht zusammengebrochen, sie hat sich aber asynchron entwickelt. Das haben viele Kunden und ihre Media-Agenturen erkannt. Ebenso haben sie begriffen, dass die Bruttokontakte der klassischen Berufstätigen und Pendler, wichtige Zielgruppen von Kunden, die Außenwerbung machen, zwar weniger geworden sind – man fährt vielleicht nicht mehr jeden Wochentag ins Büro –, die Nettokontakte aber nicht. Die Menschen waren und sind ja nach wie vor draußen unterwegs. Man erreicht die Zielgruppen also nach wie vor OOH.
Dann ist Außenwerbung das letzte verbliebene Massenmedium, mit dem Sie alle Zielgruppen in allen Altersschichten erreichen können. Auch wenn datengetriebenes Targeting im öffentlichen Raum sehr gut funktioniert, ist Reichweite ein ganz wesentliches Merkmal der Gattung.
Drittens werden durch die Digitalisierung zunehmend crossmediale Kampagnen gebucht, die OOH und Online kombinieren. Davon profitiert die Gattung ganz erheblich.
S&P: Außenwerbung/OOH kommt in den unterschiedlichsten Formen und auf Basis unterschiedlicher Technologien daher, sowohl gedruckt wie auch digital. Welche Trends erwarten Sie im neuen Jahr 2021?
Kai-Marcus Thäsler: Programmatische Außenwerbung auf digitalen Werbeträgern wird einen wesentlichen Impuls geben. DOOH-Spots werden immer aktueller und beziehen Bewegungsmuster und Mindsets von Zielgruppen mit ein.
Nachhaltigkeit ist ein weiterer ganz wesentlicher Aspekt: begrünte Säulen und Wartehallen, Solarpanel und Anlagen, die Luft filtern und gleichzeitig Mess-Stationen für Umweltwerte sind, werden zunehmend das Gesicht der Städte bereichern.
S&P: Welche Rolle werden künftig Digital-Signage-Installationen gegenüber klassisch gedruckter Außenwerbung spielen?
Kai-Marcus Thäsler: Ich mag den Begriff „Digital Signage“ in Zusammenhang mit digitaler Außenwerbung nicht so sehr, weil er eher die Beschilderung als die Kampagnen-tragenden Reichweitenmedien beschreibt. Bei DOOH geht es ja um werbliches Bewegtbild im öffentlichen Raum (manchmal auch mit redaktionellem Content), das in Zielguppen-spezifischen (Netz-)Konfigurationen vermarktet wird.
Nach wie vor haben analoge und digitale Werbeträger ihre Berechtigung. Reichweitenstarke Touchpoints in Top-Citylagen oder besondere Locations, die Kreuzungspunkte verschiedener Zielgruppen sind, werden zunehmend digitalisiert. Daneben werden Plakate nach wie vor die Tangenten, die Peripherie, die Mittelstädte und die ländlichen Gebiete und als hinterleuchtete verglaste Netzmedien die Stadtbilder prägen. Wo und in welchem Umfang digitalisiert wird, hängt auch von Investitionen – und die sind nicht unerheblich – und letztendlich dem Werbemarkt ab, sowie von den Genehmigungen durch die Kommunen als Pachtgeber.
Derzeit hat DOOH laut Nielsen einen Marktanteil von 30% am Bruttoumsatz der Außenwerbung. Die Prognose gehen von einem weiteren Wachstum aus, so, wie der Marktanteil der Außenwerbung am Mediakuchen übrigens generell.
Über den FAW
Der Fachverband Aussenwerbung e.V. (FAW) wurde 1963 gegründet und ist die führende Interessenvertretung für Anbieter von Out-of-Home-Medien in Deutschland. Er repräsentiert rund 100 Unternehmen der Außenwerbung und damit mehr als 90 Prozent des gesamten Umsatzes der deutschen Out-of-Home-Branche.
Trotz stagnierendem Werbemarkt legt Plakat- und Außenwerbung zu
Dialogmedien sind weiterhin gefragt, klassische Medien konnten zulegen, darunter auch die Außenwerbung. Das geht aus dem neuesten Dialogmarketing-Monitor der Deutschen Post hervor. Dabei handelt es sich jedoch vor allem um eine Umverteilung, denn: Der deutsche Werbemarkt stagnierte 2019 mit 40,4 Mrd. Euro externen Ausgaben auf Vorjahresniveau, sein Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist sogar leicht gesunken.
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